12. Etappe: Sarria - Arzua


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Samstag, 22. Mai 2010 - 113 Kilometer

7:34

Ich habe einigermassen gut geschlafen. Nachdem ich gestern die grosse Gebirgskette überquert habe, bleibt mir heute noch eine mehr oder weniger flache Fahrt bis nach Santiago. In Portomarin treffe ich den 67 jährigen, sicher über 100 Kilo schweren, Waadtländer Pierre, der mit einem Militärfahrrad unterwegs ist. Er war früher Winzer und geniesst wohl mehr den Wein als das Radfahren.

15:27

Ich habe mit Simon und Marco, denen ich wieder mal begegnet bin, ein Bierchen getrunken. Heute war es wirklich unglaublich heiss. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal solche Unmengen an Flüssigkeit in mich hineingekippt habe! Dieser Durst lässt sich einfach nicht löschen. Simon erinnert mich daran, dass Morgen Pfingsten ist und in Santiago wahrscheinlich die Hölle los ist. Mir ist jetzt klar geworden, dass ich unbedingt um 12:00 Uhr in Santiago sein will, weil dann ein grosser Gottesdienst gefeiert wird.

Also fahre ich weiter, bis es fast dunkel ist. Ich spiele mit dem Gedanken, mein mitgebrachtes Zelt doch noch ein einziges Mal zu gebrauchen. Doch genau in dem Moment, wo ich anfange, mich nach einem Platz Ausschau zu halten, sehe ich auf der linken Strassenseite eine kleine, hübsche Herberge. Ich kriege auch noch den allerletzten Schlafplatz, worüber ich mich freue, obwohl der Schlafsaal dunkel und fensterlos ist.

Beim Nachtessen bringe ich kaum einen Bissen runter. Ich trinke wieder so viel, dass mein Bauch schon richtig angespannt ist. Dieser Durst sprengt alle physischen Dimensionen! Nur noch wenige Kilometer trennen mich jetzt von meinem Ziel, Santiago de Compostela. Ich werde richtig wehmütig beim Gedanken, dass Morgen schon alles vorbei sein wird. Ein letztes Mal stimme ich mich auf das Schnarchkonzert der schlafenden Pilger ein. Ich kann lange nicht einschlafen, weil mir so viele Bilder vom Camino durch den Kopf gehen. Zugleich fürchte ich mich vor der Ende, welches mich eigentlich nach all dem Erlebten nur noch enttäuschen kann.

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